Wir waren viele und wir waren laut, weil man uns die Bildung klaut!

Bei der Kundgebung am 19.09.23 vor dem Roten Rathaus ging es um die Forderung einer fairen Finanzierung für Freie Schulen. Die SfE hat dabei u. a. auf der Bühne mit einer kurzen Politikwissenschaftsstunde unter dem Motto „Bildung statt Panzer“ dazu beigetragen, diese Forderung in einen größeren Kontext zu stellen:

Manuskript einer Politik-Schulstunde in der SfE, vorgetragen bei der Kundgebung gegen die Absenkung der Zuschüsse für Freie Schulen am 19. September 2023 vor dem Roten Rathaus in Berlin.

Lernbegleiter:

Guten Tag, ich habe hier das Grundgesetz mitgebracht, für viele nicht unbedingt die Lieblingslektüre, aber durchaus interessant, wenn wir uns dessen Veränderungen anschauen. So wurde vor dreißig Jahren mit dem früheren Artikel 16 z. B. das Recht auf Asyl faktisch abgeschafft, bzw. massiv eingeschränkt. Und auch in den letzten Jahren hat es mit den Artikeln 115, 109 und 87a einschneidende Veränderungen gegeben, auf die wir zu sprechen kommen werden.

Im Fokus der heutigen Kundgebung steht die unzureichende finanzielle Ausstattung der Freien Schulen; ein ernstes Thema, mit dem sich auch die Schule für Erwachsenenbildung, kurz SfE, rumschlägt. Aber es sind ja beileibe nicht nur die freien Schulen, die unter der verfehlten Bildungspolitik in Berlin und bundesweit zu leiden haben.

Angesichts von Lehrer:innenmangel und Sanierungsstaus in den Schulen und Kitas fordert ein Bündnis von Initiativen und Gewerkschaften nicht zu Unrecht ein 100 Milliarden Sondervermögen für eine Bildungswende.

Und anknüpfend daran stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass für Mörderwerkzeug wie Panzer, Drohnen, Bomber und Granaten handstreichartig 100 Mrd. Euro bereit gestellt werden, aber für Bildung, Sozialarbeit, Gesundheitswesen und andere soziale Infrastrukturen kein Geld da ist?

Vielleicht kann jemand mal erklären, wie das mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr funktioniert?

Schüler:in:

Das ist eine interessante Geschichte. Da wurde 2009 in den Artikeln 109 und 115 die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert, die die Kreditaufnahme für Bund und Länder scharf einschränkt und dann wird im letzten Jahr 2022 der Artikel 87a im Grundgesetz verankert, der 100 Mrd. „Sondervermögen“ für die Bundeswehr locker macht. Selbst der Bundesrechnungshof merkt an, dass dieses Vermögen zutreffender als „Sonderschulden“ zu bezeichnen wäre und die Schuldenbremse damit ausgehebelt würde. Im Ergebnis steigen die jährlichen Ausgaben fürs Militär damit auf über 70 Mrd. Euro und nähern sich dem 2-Prozent Ziel der NATO.

Lernbegleiter:

Wirklich bemerkenswert, weder eine Schuldenbremse noch ein Sondervermögen für das Militär haben in einer Verfassung etwas zu suchen. Aber kann uns jemand genauer darstellen, was es mit diesen zwei Prozent auf sich hat – klingt ja eigentlich nicht so viel?

Schüler:in:

2 Prozent klingt nicht nach so viel Geld, aber bei genauerer Betrachtung ändert sich der Eindruck. Denn diese 2 Prozent beziehen sich nicht auf den Bundeshaushalt von rund 445 Mrd. Euro, sondern auf das Bruttoinlandsprodukt, welches fast 3,9 Billionen Euro beträgt. 2 Prozent davon sind 78 Mrd. Euro, entsprechen also mehr als 17 % des Bundeshaushalts und damit mehr als den Budgets der Ministerien für Bildung, Gesundheit, Entwicklung, Klima, Umwelt und Wohnen zusammen.

Lernbegleiter:

Das klingt jetzt schon etwas dramatischer, aber betrifft ja den Bund. Kriegen wir das in Berlin auch zu spüren?

Schüler:in:

Geht es nach den Plänen der Bundesregierung soll in den kommenden Jahren überall gespart werden, nur nicht im Militärhaushalt. Und da die Schuldenbremse jetzt wieder streng eingehalten werden soll und die Bundesregierung auch darauf verzichtet, z. B. wieder eine Vermögenssteuer einzuführen oder die Erbschaftssteuer zu erhöhen, wird der Druck auf die Haushaltskassen überall mächtig erhöht. Und wenn die Bildungsausgaben auf Bundesebene sinken, betrifft das natürlich auch die Bundesländer. Hinzu kommt, dass mit dem Wachstumschancengesetz Unternehmen um 32 Milliarden Euro entlastet werden sollen und damit Mindereinnahmen der Länder einhergehen. In Berlin sind die Einsparungen z. B. bei Zuschüssen für Bildungsreisen, der Jugendarbeit oder der Landeszentrale für politische Bildung bereits fest eingeplant.

Problematisch zudem ist, dass die Sonderschulden für die Bundeswehr ja nicht die einzigen Kredite sind, die bei derzeit steigenden Zinsen in den kommenden Jahren zurückgezahlt werden müssen. Damit wächst die Schuldenlast und die Tilgungsraten, die den Sparzwang in den kommenden Jahren weiter erhöhen werden. Für Bildung, Gesundheitswesen, Wohnungsbau und andere soziale Bereiche sehen wir also schlechten Zeiten entgegen.

Lernbegleiter:

Dann stellt sich die Frage nach Alternativen und danach, was wir tun können. Habt ihr da Vorschläge?

Schüler:in:

Der heutigen Demonstration werden ja noch weitere folgen, z.B. am kommenden Samstag, den 23. September. Es wird bundesweite Bildungsproteste geben und hier in Berlin treffen wir uns um 11 Uhr am Brandenburger Tor und gehen dann zum Roten Rathaus, um unserer Wut Ausdruck zu verleihen.

Wir fordern: Bildung statt Panzer!

Wir brauchen keine Zeitenwende beim Militär! Wir brauchen eine Wende und Sondervermögen im Bildungs- Gesundheits-, Wohnungs- und Sozialwesen! Und wir brauchen eine Steuerpolitik, die von oben nach unten umverteilt, das heißt die Armen entlastet und die Reichen und Konzerne zur Kasse bitten.