Kolumni Alumni: Renate Gerhardt

Im Laufe ihrer fünfzigjährigen Geschichte hat die SfE viele Tausend Schüler*innen zum Mittleren Schulabschluss oder Abitur geführt. An unserer Schule konnten sie ihrer Bildungsbiografie eine Wende oder neue Impulse geben, so sinngemäß die Begründung für den Deutschen Schulpreis 2016. Viele begannen ein Studium, bekamen Impulse für neue Berufe oder konnten ihren alten Berufen neue Perspektiven abgewinnen. Wir wollen in unserer Kolumne in unregelmäßigen Abständen Porträts ehemaliger Schüler*innen veröffentlichen, von ihnen selbst geschrieben, von Schüler*innen, die jetzt auf der Schule sind und diese Alumni interviewen werden oder von mir, der die Seite betreuen wird. Zu den Alumni gehören auch ehemalige Lehrer*innen, zum einen, weil bei uns Lernende und Lehrende im Verein gleich stimmberechtigt sind, weil manche Alumni nun selbst an der SfE unterrichten und auch, weil auch wir Lehrenden uns in einem lebenslangen Lernprozess befinden. Es müsste also korrekt heißen, Kolumni Alumni & Company.

Renate Gerhardt

Renate Gerhardt

Als ich 1983 mit meinen Freunden Karin Kerner und Hans Jürgen Grune als Deutschlehrer an unserer Schule anheuerte, lernte ich Renate Gerhardt kennen, eine legendäre Verlegerin, die an der SfE Deutsch und Englisch unterrichtete. Sie hatte in ihrem Verlag sehr früh Bücher von Walter Serner, Alfred Jarry und Max Ernst veröffentlich-zu früh für das deutsche Lesepublikum. Später gab es in ihrem Verlag einen Schwenk nach links, Trotzkis „Literatur und Revolution“ folgten, Reprints von Plakaten der russischen Revolution und Aufklärungsbücher wie der „Mümmel“, Bücher im Umfeld der sexuellen Revolution der 68er Jahre. Renate betrieb mit ihrem Mann, dem Lyriker Rainer Gerhardt, einen kleinen avantgardistischen Verlag im Nachkriegsdeutschland. Als sich ihr Mann in einer depressiven Phase, auch bedrückt von Verlagsschulden, umbrachte, nahm sie eine Stelle bei Rowohlt an (sie hatte zwei Söhne, die versorgt werden mussten) Dort wurde sie mit der deutschen Ausgabe der Werke von Henry Milly betraut und Henry und sie verliebten sich auf der Stelle. Sie zogen nach Berlin in die Jenaer Straße, wo Henry Miller ein Theaterstück schrieb und viele Aquarell fertigte. Wir haben uns oft dort getroffen, um Unterricht vorzubereiten. Sie war eine kenntnisreiche und fürsorgliche Lehrerin, aber für die wilden SfE-Zeiten war sie vielleicht zu sehr Dame und manche Schüler*innen konnten nicht über ihren Schatten springen und Renates Fähigkeiten und Kenntnisse produktiv „ausbeuten“. So verließ sie nach einigen Jahren leider unsere Schule. Für mich hatte sie neben all den engen freundschaftlichen Begegnungen eine große Bedeutung, denn sie ermunterte mich zu meinem ersten Buch „Landstraße Kunden Vagabunden“, das 1982 in ihrem Verlag herauskam. So war das in den ersten Jahren der SfE: Die engagiertesten und interessantesten Leute drängten sich, unsere Schule zu unterstützen und aufzupäppeln. Das Glück der Aufbruchsjahre eben.

Ein Beitrag von Klaus Trappmann (Lehrkraft für Deutsch, Vorstand Schule für Erwachsenenbildung e.V)